Product story

Nicht nur kreisförmig – IM KREISLAUF Zähne putzen

Echte Kreislaufwirtschaft benötigt Produkte, die effizient zu recyclen sind. Viele Alltagsgegenstände bestehen aus verschiedenen Kunststoffen, die untrennbar verbunden sind. Evonik hat mit Projektpartnern jetzt eine Zahnbürste entwickelt, die aus einem einzigen Material besteht.

Sie ist klein, sie ist alltäglich von Bedeutung, und wir behalten sie recht lange, bevor sie in den Mülleimer geworfen wird – die Zahnbürste. Dementsprechend gering erscheint ihr Anteil am Plastikmüll. Tatsächlich nutzen Deutsche im Schnitt jede Zahnbürste doppelt so lang, wie von Zahnärzten empfohlen: Nur etwa alle vier bis fünf Monate wird gewechselt. Wenn man allerdings bedenkt, dass in der Tat fast jeder Mensch die Zähne putzt, werden daraus allein in Deutschland etwa 150 Millionen Zahnbürsten pro Jahr, die im Müll landen. Weltweit mehrere Milliarden. Eine gewaltige Menge an Kunststoff.

Plastik, das theoretisch nicht nur eingesammelt, sondern sogar wiederverwertet werden könnte – aber mit diesem Gedanken fängt die eigentliche Herausforderung erst an: „Eine heutige Zahnbürste besteht aus unterschiedlichen Materialien, die untrennbar miteinander verbunden sind“, erklärt Johannes Krampe, Manager Filaments im Bereich High Performance Polymers bei Evonik. Der Kunststoff für die Zahnbürstenborsten benötigt andere Eigenschaften als der Griff. Borsten sollten abriebfest sein, gleichzeitig flexibel und dürfen nicht splittern.

Dass sie diese Voraussetzung erfüllen, haben wir modernen Hochleistungskunststoffen zu verdanken: Seit Erfindung der Zahnbürste, über Jahrhunderte hinweg, verwendeten die Menschen zunächst Tierhaare, die leicht brachen, später Nylonfasern, die hart waren und das Zahnfleisch beschädigten. Beides nicht gesund für die Zahnhygiene. Heutzutage sind langkettige Polyamide, deren Filamente extrem leistungsfähig und elastisch sind, die beste Lösung. Der Griff hingegen muss vor allem stabil sein.

Tatsächlich gibt es einen Kunststoff, der je nach Produktionsverfahren sehr verschiedene Eigenschaften bietet und damit die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Zahnbürstenbestandteile erfüllen kann. VESTAMID®. Hinter dem Markennamen verbergen sich eine ganze Palette langkettiger Polyamide, die als Hochleistungskunststoff bereits seit längerem immer dann bei Zahnbürstenborsten zum Einsatz kommen, wenn hochwertige Qualität gefragt ist. Der Kunststoff lässt sich aber auch für die restlichen Bestandteile der Zahnbürste verwenden. Aus Monomaterial gefertigt wären solche Modelle tatsächlich recyclebar. Evonik hat jetzt mit Projektpartnern Zahnbürsten als Prototypen entwickelt und hergestellt, die rein aus VESTAMID® bestehen.  „Das sollte unser gesellschaftliches Ziel sein“, unterstreicht Krampe: „Recyclebare Produkte, aus denen sich eine Kreislaufwirtschaft etablieren lässt.“ Damit die Nutzer also künftig nicht nur, wie Zahnärzte empfehlen, kreisförmig Zähne putzen, – sondern auch die Zahnbürste selbst ein echtes Kreislaufprodukt wird.

Einsatz nachhaltiger Rohstoffe

Um den ökologischen Fußabdruck der Zahnbürste weiter zu verbessern, wird in diesem Fall zusätzlich auf nachhaltige Rohstoffe gesetzt:  VESTAMID® eCO, ein Polyamid-12. Die eCO Reihe basiert auf erneuerbaren oder zirkulären Rohstoffen, womit bereits bei der Herstellung Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid deutlich verringert werden. Diese alternativen Rohstoffe werden in der Produktion gemeinsam mit klassischen Rohstoffen eingesetzt und in einem Massenbilanzansatz über die gesamte Wertschöpfungskette verfolgt. Eine neutrale Instanz überprüft das über sämtliche Produktionsstufen hinweg. „Die Qualität und Performance des Endprodukts ändert sich durch den erneuerbaren Rohstoff in keiner Weise“, sagt Krampe. Mit Polyamid-12 hat Evonik langjährige Erfahrung. „Wir sehen in Polyamid-12 ein Material der Zukunft für zahlreiche Anwendungsfälle“, sagt Krampe. Neben den bereits erwähnten Eigenschaften ist der Hochleistungskunststoff auch besonders temperaturbeständig und hat die geringste Wasseraufnahme aller Polyamide. Konsequenterweise hat Evonik an seinem Standort in Marl einen neuen Anlagenkomplex für Polyamid-12 gebaut und damit seine Produktionskapazität um 50 Prozent gesteigert.

„Exzellente Eigenschaften für Borsten“

Für die Zahnbürsten-Prototypen, die Evonik auf der Kunststoffmesse 2022 in Düsseldorf präsentieren und verteilen wird, wurde die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern gesucht: PMM aus Mexiko stellte die Borsten aus VESTAMID® eCO her, das Unternehmen hat über 40 Jahre Kompetenz, wenn es um innovative Produktion von Zahnbürstenborsten geht. „PA12 eCO ist ein Material, das exzellente Eigenschaften für Borsten aufweist“, sagt PMM-Geschäftsführer Enrique Mejía: „Gerade im Vergleich zu anderen Kunststoffen.“ Für die finale Produktion des gesamten Prototyps hat anschließend die Zahoransky AG aus dem baden-württembergischen Todtnau gesorgt. Das Familienunternehmen ist unter anderem spezialisiert auf Spritzgusswerkzeuge für die Zahnbürstenproduktion: „PA12 als Spritzgussmaterial für Griffe war auch für uns ein innovativer Schritt“, sagt Ingo Kumpf, Head of Research & Development bei Zahoransky: „Aber es hat hervorragend funktioniert. Wir konnten zeigen, dass die Produktion mit unseren Werkzeugen möglich ist.“

Damit hat Evonik erstmals demonstriert, dass Zahnbürsten tatsächlich aus Monomaterial hergestellt werden können. Ein erster Schritt, um konkret gemeinsam mit Kunden und Partnern darüber nachzudenken, wie sich Nachhaltigkeit neu denken lässt, sagt Krampe: „Wir wollen damit alle einladen, eine Debatte über die Möglichkeiten von Kreislaufwirtschaft zu starten.“ Denn zweifellos ist die Existenz von recyclingfähigen Produkten nur der erste Schritt. Es gilt jetzt gemeinsam zu klären, wie genau darauf eine Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden könnte. „Da sind ja ganz viele Möglichkeiten denkbar“, unterstreicht Krampe: „Gibt es künftig neben der Box für Batterien ebenfalls eine Rückgabemöglichkeit für Zahnbürsten?“ Auf jeden Fall lohne es sich, Diskussionen darüber zu starten und Anwendungsfälle ins Leben zu rufen. Evonik hat den Anfang gemacht: „Mit einem Produkt wie der VESTAMID®-Zahnbürste aus PA12 könnten wir künftig nicht mehr dazu gezwungen sein, Milliarden Zahnbürsten weltweit jährlich wegzuwerfen“, sagt Krampe.